Montag, April 18, 2011

re:publica XI


Einen halben Tag brauchte ich, um aus dem Landei-Modus (Häuser...., Menschen...., Bäume...) rauszukommen. Berlin scheint Klassenfahrtenhaupstadt Europas geworden zu sein. Da war Nerd-Berlin auf der Re:publica mit den dezent schwarz gekleideten Menschen mit Sprüchen auf T-Shirts fast entspannend für Augen. Um so spannender für die Ohren. 

Ich wollte meine Schwerpunkte auf Politik, Klima + Energie sowie China legen, Fun & Feminismus sollten auch nicht zu kurz kommen. Die Klima- und Energie-Vorträge waren mäßig bis enttäuschend. David Roberts war toll, sehr analytisch und diese Art Amerikaner, die Intellekt so wunderbar mit Handeln und Pragmatismus verbinden können. Die deutschen Klimablogs waren eher ein bissl nölig (Warum liest uns bloss keiner? Weil ihr so verdammt moralisch seid!) auch wenn sie zum Teil ihre Probleme erkannt hatten. Und liebe Lichtblick-Leute: Schön das Ihr Schwarm-Strom macht und das Internet mehr nutzt als die großen Stromerzeuger, aber Internet-Menschen das Internet erklären zu wollen ist ein absolutes NoGo. Den Workshop dazu hab ich leider (?) verpasst, weil mir der Medienkompetenz-Vortrag mehr zusagte. Jürgen Ertelt fasste die Diskussion kompetent zusammen, lieferte mir noch mal ein paar Argumente gegen einen Internetführschein und stiess mich auf popplet (wo man anpoppeln kann, hihi). 
Den Anonymous-Vortrag von Gabriella Colemann habe ich leider (!) erst irgendwann in der Mitte mitbekommen. Interessanter Einblick in eine so andere Netzkultur, die Deutschland aussehen lässt wie Kindergarten. Kindergarten ist das Stichwort um auf die Diskussion um die Gründung der Digitalen Gesellschaft vorzugreifen. Da wird ein Verein (keine Geheimgesellschaft, kein Atommülllager) gegründet, um endlich mal politische Schlagkraft zu entwickeln und alle werfen mit ihren Förmchen, weil sie nicht wichtig genug waren, auch gefragt zu werden. Die Trollforschung von Sascha Lobo hat dazu passenderweise den wissenschaftlichen Hintergrund geliefert – und definitiv den Fun-Vogel abgeschossen. Dagegen waren PPT-Karaoke und Flitterei schon sehr fremdschämerisch unterwegs, die Twitterlesung habe ich mir aus Gründen gespart. 

Wirklich wirklich großartig war How Feminist Digital Activism Is Like the Clitoris – alleine wegen des Titels, aber noch viel mehr wegen Jaclyn Friedmann, die daraus einen humorvollen Vergleich mit eindeutigen Botschaften gemacht hat. Ein bisschen ist sie wohl am langen Arm des abklärten, mit nackten Busen überfütterten europäischen Publikums verhungert. Ebenso interessant wie herrlich unaufgeregt stellte Lorenz Lorenz-Meyer die chinesische Social Media Welt vor, die sich trotz/wegen der Zensurinfrastruktur behauptet. Erstaunlich fand ich besonders, dass die Hälfte aller Menschen mit Internetzugang ein Blog betreiben und wie unterschiedlich die verschiedenen Netzbetreiber zensieren. Zum Schluss noch ein bissl Böötchen fahren und Liedchen singen – fertig ist das Feriencamp. Bohémian Rapsody war einfach nur wohliges Gänsehautgemeinschaftgefühl.


Fazit: einigermaßen viel gesehen, das zum überwiegenden Teil gut bis hilarious war. Ein paar Dinge verpasst, dafür die soziale Agenda zu 100% erfüllt. Internet hatte ich manchmal, aber der Zusammenbruch von o2 war ärgerlich und machte einen privaten Zwischenfall dramatischer als nötig.

CU 2012.

Landei-Modus an.