Dienstag, August 12, 2008

Land der unbegrenzten Möglichkeiten gegen Reich der Mitte

Diesen Beitrag schiebe ich nun schon seit einigen Monaten auf, ich hoffe ich bekomme alle Gedankenfetzen, die mir bisher dazu durch den Kopf gingen zusammen. Der Vergleich zwischen dem Leben in de USA und in China drängt sich auf, seit ich in China bin. Wenn man zum zweiten Mal im Ausland lebt, liegt es nahe, diese beiden Länder und die daraus resultierenden Lebensumstände zu vergleichen. Es ist ein sehr persönlicher Vergleich, der in keinem Fall zu einer Pauschalisierung der Länder führen soll oder darf.
Zunächst einmal gibt es einen wesentlichen Unterschied, der sich durch den gesamten weiteren Vergleich ziehen wird und noch nicht mal direkt von den jeweiligen Ländern verursacht wird. Shanghai ist eine der größten Metropolen der Welt, Alpharetta ist ein Suburb-Dorf. Das bestimmt einen wesentlichen Teil des Lebensgefühls. Subway anstatt Auto. Maglev anstatt Marta. Laufen anstatt fahren. Reis statt Burger. Vielfalt statt Einfalt. Mittendrin statt außen vor.
Unabhängig von den jeweiligen Orten gibt es aber auch viele frappierende Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten, in denen sich diese beiden großen Länder nahe kommen, und sich von Europa/ Deutschland unterscheiden. Materialismus und Patriotismus sind hier wohl die Stichworte. In China wie in USA ist Shopping und Konsumieren eine zentrale Beschäftigung, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Für Amerikaner ist es ein selbstverständlicher, von Kind an gelernter Bestandteil des Lebens. Hier ist das Neue, das protzige Zeigenwollen des Kaufenkönnens. Nach langem Nichtkaufendürfen. Und die Shopping Malls sind noch eine Spur größer, eine Spur eleganter im Hinblick auf das gierig-aber-blind-machende *Potential* des Marktes.
Patriotismus ist der Kitt der diese großen Gesellschaften zusammenhält, wenn man das so plump behaupten darf. Das Zusammenschweißen einer Nation angesichts eines äußeren Feindes oder einer inneren Katastrophe lenkt von politischen oder wirtschaftlichen Problemen ab. Nationalismus, gepaart mit quasi natürlichen Überlegenheitsgefühlen der amtierenden Weltmacht einerseits und dem wörtlich gemeinten Reich der Mitte bestimmen ihr Handeln nach außen wie nach innen. Sie halten die Fliehkräfte der extremen Gegensätze in beiden Ländern im Zaum. In China existieren sie auf engstem Raum ohne einen geographischen Puffer wie dem zwischen Slum in Altanta und reichem Vorort in Alpharetta.
Doch trotz aller Gemeinsamkeiten darf man die großen Unterschieden, vor allem die offensichtlichen nicht vergessen. China ist eine Diktatur, die USA nicht. Als Ausländer merkt man die Unterschiede nur im Detail. Im langsamen Internet, in der ständigen Meldpflicht auf Reisen, in der Tatsache, dass ich für eine Service-Firma und nicht für eine Redaktion arbeite.
Dass die Öffnung Chinas noch nicht lange währt, spürt man durch das Aufsehen, das man als westlicher, und vielleicht auch noch blonder Mensch erregt, wenn man sich außerhalb der großen Städte bewegt.
Auf der persönlichen Seite, im alltäglichen Leben spielen diese Dinge jedoch kaum eine Rolle. In beiden Ländern bin ich schnell in eine deutsche Gemeinschaft reingerutscht, in Amerika gegen meinen Willen, in China war es durchaus erhofft. Diese Gruppen machen das Leben sehr viel einfacher durch gegenseitigen Austausch, gemeinsame Unternehmung und die Sprache. Aber sie halten ein wenig davon ab, am *wahren Leben* des Landes teilzuhaben. Man muss sich anstrengen, die wenigen Gelegenheiten wahrzunehmen, in dem sich wirkliche Einblicke oder interessante Menschen auftun. Allerdings sind diese Gruppen aufgrund der so viel größeren Sprachbarriere in China sehr viel wichtiger.
Was so das tägliche Leben angeht, macht die große Stadt die Verfügbarkeit von westlichen und insbesondere europäischen Lebensmitteln einfacher. Es gibt eine ganz interessante Mischung von Angeboten aus allen Ländern. Das war in USA nicht so einfach, denn da war man ja im Westen und europäische Produkte mussten mit den amerikanischen konkurrieren. Und die Amerikaner haben ja auch Brot und Kaffee und Bier und Käse, nur leider nicht so gut.
Mit den amerikanischen Kollegen bin ich schnell auf eine freundschaftliche Basis gekommen, die auch am Privaten kratzte, aber distanziert blieb. Der engere Kontakt zu Kollegen in China hat länger gedauert, erscheint mir zurzeit aber tiefer. Das kann am ähnlichen Alter liegen oder dass man mehr miteinander lacht. Und es sind weitere Unterschiede gegeben, die nicht notwendigerweise in der Natur der Länder liegen. Bei einem Unternehmen wie Siemens zu arbeiten oder in einer Mini-Redaktion macht den Unterschied eigenverantwortlich ein Projekt mit 50.000 Dollar Budget zu planen oder um jeden neuen Stift betteln zu müssen. Nur mit Jungs rumzuhängen oder nur mit Mädels gibt ein ganz anderes Lebensgefühl, und macht manches einfacher, anderes nicht.
Also, auch wenn sich der Vergleich vielleicht aufdrängen mag, hinkt er an einigen Ecken ganz doll. Aber grundsätzlich muss ich sagen, dass der Aufenthalt in USA die Entscheidung für China und das Leben in China erst möglich gemacht hat. Aber je länger ich in China bin, desto eigenständiger wird diese Erfahrung, desto weniger wichtig wird der Vergleich.

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